Zum Tode Egon von Neindorffs


Egon von Neindorff starb in seinem 81.Lebensjahr, in der Nacht vom 19. auf den 20. Mai 2004. Mit ihm ging ein großer Pferdemann und ein Genie im Sattel. Mit ihm ging vielleicht auch der letzte Kavalier alter Schule.
In einer Zeit die mehr und mehr von Ungeduld und Oberflächlichkeit beherrscht wird, wo äußere Aufmachung oft fehlende Werte überdeckt, lebte Egon von Neindorff bescheiden, arbeitete und kämpfte bis zuletzt für die korrekte Ausbildung von Reiter und Pferd.
Pferde ihrer natürlichen Veranlagung entsprechend individuell ausbilden, sie systematisch mit viel Zeit und Geduld zu gymnastizieren und jedes auf seine Art zu einer Pferdepersönlichkeit heranreifen lassen, war einer seiner Grundsätze.
Zu Recht galt der Bundesverdienstkreuzträger Egon von Neindorff als der „Hüter der reinen Lehre“.
Egon von Neindorff wurde am 1. November 1923 in Döbeln (Sachsen) geboren.
Nach Kriegsende floh er mit seinen Pferden vor den russischen Truppen und fand im südbadischen Lörrach eine vorläufige Unterkunft. Dort half ihm die französische Militärverwaltung, von der er Futterbezugscheine für seine fünf Pferde erhielt. Bald organisierte und veranstaltete Egon von Neindorff auch die ersten Turniere mit internationaler Beteiligung. Mit viel Engagement und Einsatz sorgte er für das Wiederaufleben der Sportreiterei nach dem Zweiten Weltkrieg.

1949 zog Egon von Neindorff mit seinen Turnierpferden in die leerstehende ehemaligen Telegraphenkasserne. Die Stallungen und die wunderschöne, heute unter Denkmalschutz stehende Reitbahn wurde ihr neues Zuhause. Er verabschiedete sich vom Sportreiten und widmete sich von da ab ausschließlich der Ausbildung von Reiter und Pferd.
Das von Egon von Neindorff gegründete Reitinstitut war bald allein nur vergleichbar mit den Stätten klassischer Reitkunst wie der Spanischen Hofreitschule in Wien, dem Cadre Noir in Samur oder der königlich-andalusischen Reitakademie in Jerez de la Frontera. Es wurde zu einer Hochschule für Reiter und Pferde.
Ganz im Gegensatz zu diesen staatlich unterstützten Einrichtungen finanzierte Egon von Neindorff sein Institut von seinem Reitbetrieb. Er machte es somit auch allen möglich sich mit der Reitkunst vertraut zu machen.
Schüler aus aller Welt, ob Olympiareiter und Pferde oder förderungswürdige Reiter aus Vereinen oder einfach nur Freunde der Reitkunst, besuchten diese besondere Ausbildungsstätte und den einmaligen Unterricht, oft vergleichbar mit der Vorlesung eines Professors.
Egon von Neindorff förderte Reiter ihrem Talent und nicht unbedingt ihren finanziellen Mitteln entsprechend. Er erzog seine zweibeinigen Schüler zu Menschlichkeit, Güte und Verantwortung. Was er ihnen vermittelte hatte im täglichen Leben ebenso Gültigkeit wie im Umgang mit dem Pferde.
Über ein halbes Jahrhundert fanden fast fünfhundert ausverkaufte „Festabende klassischer Reitkunst“ im Reithaus in der Nancystrasse statt und die vielen, teils prominenten, Besucher aus dem In- und Ausland zeugen von dem einmaligen Ruf des Reitinstituts Egon von Neindorff.

Egon von Neindorff lebte für die Pferde und die Reitkunst.

Egon von Neindorffs Alltag war ausgefüllt von früh bis spät. Bis zu seinem letzten Tag erteilte er Unterricht und war für seine Pferde und Reiter da - „Immer im Dienst“ wie er es nannte. Morgens begrüßte er als einer der ersten seine Pferde, abends ging er als letzter auf seinen Kontrollgang durch die Stallungen.
Möge der Mensch und Reiter Egon von Neindorff, der für eine korrekte, naturorientierte Pferdeausbildung lebte und die Reiter zum „Mitdenken“ und sich „Hineindenken“ erzog, Vorbild sein für alle ihm nachfolgenden Reitergenerationen.