„Von Scharlatanen und wahren Vorbildern“


Das Bild vom guten Sitz entwickelt sich am Vorbild

Als junge Reiterin lernte ich von Beginn an, dass der Sitz das Wichtigste ist. In mir lebte das Bild vom guten und schlechten Reiter. Ich schaute mir meine Mitreiter an und wusste, so möchte ich einmal reiten, und so niemals. […]

Ich disziplinierte meinen Körper. Ich ging aus eigenem Antrieb mit Hingabe daran, meinen Sitz zu verbessern. Ich war erst zufrieden, wenn ich mich im Spiegel in guter Haltung sah. Saß ich gut, fühlte sich auch mein Pferd wohl und kam an den Zügel. Es zeigte mir seine Bewegungslust, der ich mich anpasste. Meine Fehler tadelte es mit entsprechender Reaktion. Dies beflügelte mich, es besser zu machen. Ich lernte auch, Übermotivation zu vermeiden, da ich sonst schnell zu viel von uns beiden verlangte. […]

Zwanglos und natürlich – auf dem Weg zur Perfektion

Hoch oben, unnahbar, in herrlicher Pose schwebt es vor uns, das angestrebte Ideal. Als Reiter Vollkommenheit anzustreben heißt innehalten und still sein. Ruhig und gelassen in mich vertieft betrachte ich jeden Abschnitt meines Körpers, vom Kopf bis zu den Fersen. Ich horche in mich hinein. […]

Doch Ideale bleiben oft ein Traum, vielleicht weil dem Körper Grenzen gesetzt sind. Darum heißt es, authentisch und bescheiden bleiben und zu begreifen, nicht unfehlbar zu sein. Selbst ein Reiter, leicht und mühelos anzusehen, ist nie ganz makellos. Manchmal sind es auch genau diese kleinen Kanten, die Mensch und Pferd natürlich machen. Im Perfekten steckt stets auch Unperfektes. Jedem ist eine vorteilhafte und weniger gute Seite gegeben. Letztere zu kontrollieren braucht Disziplin. […]

Wer etwa gut visuell lernt, kann sich eine Übung gut einprägen, sie mittels Vorstellungskraft im Zeitlupentempo vor dem inneren Auge ablaufen lassen und dann Schritt für Schritt umsetzen. Ebenso kann man die Bewegungsabläufe eines guten Sitzes abschauen. Wer aber eine äußere Form nur starr kopiert, statt sie zu verinnerlichen und auf seinen Körper zu interpretieren, dessen Haltung wird zur steifen, unpersönlichen Hülle. Und wer nur reiterliche Karikaturen um sich hat, wird sich bald ebenso lächerlich darstellen wie diese. […]